Amazon Prime ohne Zustimmung aufgedrängt

New York/Washington (23.06.2023)

Die US-Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) hat den Online-Shopping-Giganten Amazon verklagt. Dieser soll jahrelang versucht haben, Verbraucher ohne Zustimmung bei Amazon Prime anzumelden und ihnen die Kündigung ihrer Abonnements zu erschweren. In ihrer beim U.S. District Court for the Western District of Washington eingereichen Klage beschuldigt die Behörde den Konzern, irreführende Designs, sogenannte “Dark Patterns”, genutzt zu haben, um Verbraucher zu verleiten, sich für Prime anzumelden, das Abonnenten für 139 Dollar pro Jahr oder 14,99 Dollar im Monat Vergünstigungen wie schnelleren Versand bietet.

Verbraucher getäuscht

Laut FTC machte es Amazon seinen Kunden schwer, einen Artikel zu kaufen, ohne gleichzeitig ein Prime-Abo abzuschließen. In einigen Fällen wurde Verbrauchern eine Schaltfläche zum Abschließen ihrer Transaktionen angezeigt, die nicht deutlich darauf hinwies, dass sie sich damit auch für Prime anmelden würden. Der Ausstieg aus einem Abo war oft zu kompliziert und die Amazon-Führung verlangsamte oder lehnte Änderungen ab, die die Kündigung einfacher gemacht hätten. Laut einer US-Umfrage von 2022 zählt Amazon Prime zu den beliebtesten Abo-Streaming-Diensten, aber auch wird der Service am häufigsten gekündigt, wie pressetext berichtete.

Intern bezeichnete Amazon den Vorgang als “Ilias”, eine Anspielung auf das altgriechische Gedicht über die langwierige Belagerung Trojas während des Trojanischen Krieges. “Amazon hat Menschen ohne ihre Zustimmung in wiederkehrende Abonnements gelockt und gefangen, was nicht nur frustrierend ist, sondern diese auch viel Geld kostet”, so die FTC-Vorsitzende Lina Khan. “Diese manipulative Taktik schadet Verbrauchern und gesetzestreuen Unternehmen gleichermaßen.” Die FTC argumentiert, dass Amazons Praktiken gegen den FTC Act und ein weiteres Gesetz namens “Restore Online Shoppers’ Confidence Act” verstoßen. Amazon bestreitet das.

Konzern widerspricht

“Die Behauptungen der FTC entsprechen weder den Tatsachen noch dem Gesetz. In Wahrheit lieben die Kunden Prime und wir machen es für unsere Kunden klar und einfach, sich für eine Prime-Mitgliedschaft anzumelden oder sie zu kündigen”, so Amazon-Sprecherin Heather Layman. Prime wurde 2005 ins Leben gerufen und hat weltweit mehr als 200 Mio. Mitglieder, die somit Vergünstigungen wie Gratis-Lieferungen, Rücksendungen sowie den Streaming-Dienst Prime Video erhalten. In den ersten drei Monaten 2023 hat Amazon laut eigenen Angaben 9,6 Mrd. Dollar mit Abos eingenommen – 17 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Die FTC wirft Amazon auch vor, die 2021 begonnene Untersuchung der Behörde zu Prime in mehreren Fällen zu behindern. Seit zwei Jahren geht die Behörde verstärkt gegen betrügerische Anmelde- und Kündigungstaktiken vor, die Verbraucher dazu verleiten könnten, Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen, die sie nicht wollen. Im Dezember 2022 teilte die FTC mit, dass Epic Games, der Hersteller des beliebten Videospiels “Fortnite”, 245 Mio. Dollar an Kundenrückerstattungen für betrügerische Zahlungsmethoden zahlen muss. Im November einigte sich das Telko-Unternehmen Vonage in einem ähnlichen Fall auf 100 Mio. Dollar.

Amazon verschärft kontrolliert

Layman erklärt, das Unternehmen finde es “besorgniserregend”, dass die FTC die Klage eingereicht habe, ohne Amazon zu benachrichtigen, während das Unternehmen bereits mit FTC-Mitarbeitern über Prime im Gespräch gewesen sei. Die Klage kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich Amazon einer verschärften behördlichen Kontrolle ausgesetzt sieht, da das Unternehmen seine Dominanz im E-Commerce ausbauen und in andere Märkte eindringen will, darunter Lebensmittel und Gesundheitsdienstleistungen.

Widerspruch kommt von Carl Szabo, Vizepräsident und Chefsyndikus der Tech-Industriegruppe NetChoice: “Die Klage lautet, dass Amazon die Menschen dazu ermutigt, Amazon Prime zu nutzen – das ist so, als würde man Kroger wegen der Werbung für sein Prämienprogramm oder Costco wegen seines Mitgliedschaftsclubs verfolgen.” Für ihn sei “völlig klar, dass die FTC eine aus dem Ruder gelaufene Behörde ist, die stärker beaufsichtigt werden muss. Der Kongress muss eine strenge Aufsicht ausüben, um die FTC zu zügeln, indem er die Mittel kürzt und ihre ethischen Verfehlungen und ihren Machtmissbrauch untersucht”.

Lutz Steinbrück,
steinbrueck@pressetext.com