VÖB-Sommer-Pressekonferenz 2016
Berlin/Frankfurt am Main (30.06.2016) -
Der Bankenverband VÖB plädiert eine Woche nach dem Brexit dafür, schnell und klar die Austrittsmodalitäten für Großbritannien festzulegen. VÖB-Präsident Dr. Gunter Dunkel: "Auch wenn sich der erste Schock nun gelegt hat, so wird klar, dass der Weg Großbritanniens bis zum Verlassen der Europäischen Union ein weiter sein wird. So bitter das Ergebnis des Referendums für die europäische Idee und Großbritannien auch ist, in den Austrittsverhandlungen muss klar werden: Eine Mitgliedschaft 'light', in der im Wesentlichen die Vorteile des freien Marktes ohne politische Zusammenarbeit genutzt werden, kann es für das Vereinigte Königreich nicht geben. Die EU ist nicht nur eine Versammlung mit harmonisierten Buchführungsmethoden, sondern auch eine Wertegemeinschaft, gegen die sich die Mehrheit der britischen Bevölkerung eben entschieden hat." Für den VÖB-Präsidenten verliert die EU ein wichtiges Mitglied, dessen Mahnungen gegen zu viel Bürokratie und dessen Eintreten für ein angemessenes Augenmaß bei der Regulierung fehlen werden. Dunkel: "Das Votum der Briten macht aber auch deutlich, dass es ein Weiter so in Europa nicht geben kann. Wenn wir die europäische Idee nicht aufs Spiel setzen wollen, dann müssen Reformen in der Arbeit der EU vorangetrieben werden, die Europa wieder handlungsfähig machen und die Menschen mit ihren Befürchtungen und Sorgen abholen. Die Kommission muss akzeptieren, dass viel weniger als gedacht in Brüssel geregelt werden muss. Die Staats- und Regierungschefs müssen aufhören, sich von ihren in Brüssel gefassten Beschlüssen schon auf dem Heimweg zu distanzieren." Auch wenn es immer wieder Anlass zu inhaltlicher Kritik geben könne, so dürfe die Europäische Union als Garant für Frieden und Wohlstand nicht per se angezweifelt werden, mahnt Dunkel. Geschäftsentwicklung der öffentlichen Banken zeigt ihre Bedeutung für den Finanzplatz Deutschland Ein positives Fazit zieht Dunkel zur Geschäftsentwicklung der VÖB-Mitgliedsbanken, die auch im Jahr 2015 mit rund 2.700 Milliarden Euro etwa ein Drittel der Bilanzsumme des deutschen Bankenmarktes darstellen. Die öffentlichen Banken haben im vergangenen Jahr 29 Prozent der Kredite an Unternehmen ausgereicht. Mit 48 Prozent Marktanteil sind die Landesbanken und Förderbanken bei der Kommunalfinanzierung weiterhin klarer Marktführer. Dunkel: "Unsere Mitglieder leisten einen wichtigen Beitrag sowohl für die öffentliche Daseinsvorsorge als auch für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land." Die Landesbanken haben auch im Jahr 2015 ihr Eigenkapital weiter gestärkt und erreichen eine durchschnittliche CET1-Quote von leicht über 13,1 Prozent (Vorjahr: 11,4 Prozent). Diese Zahl belegt, dass die Landesbanken heute deutlich stabiler aufgestellt sind als auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise (2009: 8,26 Prozent). Im gleichen Zeitraum haben sich auch die Bilanzsummen von 1.519 Milliarden Euro (2009) auf 1.052 Milliarden Euro (2015) reduziert, was einem Abbau von 467 Milliarden Euro, also einem Rückgang um 30 Prozent, entspricht. Die gleiche Tendenz ist auch bei den risikogewichteten Aktiva zu erkennen; diese sanken von 2009 von 587 Milliarden Euro um rund 236 Milliarden Euro auf 351 Milliarden Euro im Jahr 2015. Bei den Förderbanken des Bundes und der Länder ist die Eigenkapitalausstattung traditionell sehr hoch; hier liegt die CET1-Quote bei 19,6 Prozent im Jahr 2015 (2010: 18,7 Prozent). Mit Sorge sieht der VÖB-Präsident die Ertragslage im gesamten Bankensektor. Obwohl beispielsweise bei den Landesbanken eine Cost-Income-Ratio von 58 Prozent sehr kosteneffiziente Strukturen belegt, lag die durchschnittliche Eigenkapitalrendite im Jahr 2015 bei 4,4 Prozent. Dunkel: "Die Banken sind also kostenbewusst und sparsam aufgestellt, aber es bleibt zu wenig übrig. Das liegt nicht nur an der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, sondern hier machen sich auch ganz klar die Kosten der Regulierung bemerkbar. Banken müssen aber auch Geld verdienen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bankdienstleistungen kann es nicht zum Nulltarif geben. Deutschland braucht leistungsfähige Banken und daher müssen auch alle Regulierungsmaßnahmen daraufhin überprüft werden, ob sie in ihrer Gesamtheit nicht den Instituten die Luft abschnüren." Mit Blick auf die Förderbanken in Deutschland als wichtiges Instrument der Wirtschafts-, Infrastruktur-, Sozial- und Umweltpolitik muss klar sein, dass regulatorische und aufsichtliche Anforderungen das Geschäftsmodell und den Förderauftrag nicht ad absurdum führen dürfen. "Der Maßstab für Förderbanken können nicht die global systemrelevanten Universalbanken sein, denn sie sind regional tätig, sind durch Anstaltslast und Gewährträgerhaftung von ihren Trägern abgesichert und ausschließlich im Auftrag ihres öffentlichen Eigentümers tätig. Das müssen Regulatoren und Aufseher verstehen und berücksichtigen", so der VÖB-Präsident. Neue Kapitalanforderungen: Auf dem Weg zu Basel IV? Die laufende Überarbeitung des Basel-III-Rahmenwerks durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht sieht der VÖB kritisch. Hauptgeschäftsführerin Prof. Dr. Liane Buchholz: "In meinen Augen werden hier nicht nur bestehende Standards überarbeitet, sondern es steht uns eine vollkommen neue Regulierungswelle bevor. Daher kann mit Fug und Recht von Basel IV gesprochen werden." Während sich in einigen Teilbereichen, zum Beispiel bei den Handelsbuchvorschriften oder den Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, erste Vorgaben abzeichnen, sind andere Punkte nach wie vor weitgehend offen, wie beispielsweise die neuen Standardansätze für die Bemessung des Kreditrisikos sowie des operationellen Risikos. Ebenso offen sieht der Spitzenverband der öffentlichen Banken auch die Zukunft der bankinternen Verfahren. Buchholz: "Ich befürchte, dass der Anwendungsbereich der auf interne Ratings gestützten Verfahren zur Bemessung des Kreditrisikos stark eingeschränkt wird, und ich sehe den modellgestützten Ansatz im operationellen Risiko vor der Abschaffung. Zudem soll für die mit bankinternen Verfahren ermittelten Eigenkapitalanforderungen eine Mindesthöhe im Verhältnis zu den Standardverfahren festgelegt werden." Buchholz: "Eine solche Regulierung wird zu erheblich anwachsenden Risikoaktiva und dramatisch steigenden Kapitalanforderungen für die Banken führen. Alle Institute - nicht nur in Deutschland sondern auch in Europa - müssten dann massiv Eigenkapital ansammeln oder umfassend Risikoaktiva abbauen." Der VÖB rechnet bei den 17 größten deutschen Banken, die unmittelbar von der EZB beaufsichtigt werden, mit einem Anstieg der risikogewichteten Aktiva von mindestens 30 Prozent und erwartet einen zusätzlichen Bedarf an hartem Kernkapital von 78 Milliarden Euro. Buchholz: "Diesen Kapitalbedarf können die Banken nicht aus eigener Kraft decken. Wir müssen uns fragen, wer in diesem für Banken wirklich herausfordernden Umfeld bereit ist, signifikant Eigenkapital in eine europäische Bank zu investieren? Sollte stattdessen eine weitere Verringerung an Risikoaktiva gewollt sein, dann wird eine umfassende Finanzierung von Unternehmen maßgeblich erschwert. Der Baseler Ausschuss muss daher ausschließen, dass die Eigenkapitalanforderungen signifikant steigen; und er darf dabei auch bestimmte Geschäftsmodelle nicht benachteiligen. In Europa spielt die Kreditfinanzierung der Wirtschaft eine weitaus wichtigere Rolle als beispielsweise in den USA. Wir werden hier genau darauf achten, dass Qualität vor Schnelligkeit geht, zumal Eile bei der sogenannten Überarbeitung des Regelwerks in keiner Weise notwendig ist." Über den VÖB Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, ist ein Spitzenverband der deutschen Kreditwirtschaft. Er vertritt die Interessen von 63 Mitgliedern, darunter die Landesbanken sowie die Förderbanken des Bundes und der Länder. Die Mit-gliedsinstitute des VÖB repräsentieren mit über 2.700 Milliarden Euro 34 Prozent rund ein Drittel der Bilanzsumme des deutschen Bankenmarktes (Geschäftsjahr 2015). Mit knapp 69.000 Beschäftigten nehmen die öffentlichen Banken ihre Verant-wortung für Mittelstand, Unternehmen, die öffentliche Hand und Privatkunden wahr und sind in allen Teilen Deutschlands fest in ihren Heimatregionen verwurzelt. Mit 48 Prozent sind die VÖB-Mitgliedsbanken Marktführer bei der Kommunalfinanzierung und stellen zudem rund 29 Prozent aller Unternehmenskredite in Deutschland zur Verfügung. Weitere Informationen unter: https://www.voeb.de Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (VÖB), Dominik Lamminger |