UniCredit-Chefökonom: Abschwung hat begonnen
Wien (11.12.2018) -
Foto: UniCredit-Chefökonom Stefan Bruckbauer (Copyright: Fotodienst/Wilfried Seywald) Der Weltwirtschaft steht eine Abkühlung bevor, die Auswirkungen werden ab Ende 2019 auch in Europa deutlich zu spüren sein - im Schnitt mit einem Prozent weniger Wirtschaftswachstum. Indiz dafür sind leere Auftragsbücher der exportorientierten Wirtschaft und der hohe Geldabfluss aus den Schwellenländern. Längster Aufschwung "ever" "Es ist Zeit, wieder vorsichtiger zu werden", sagte der Chefökonom der UniCredit Bank Austria https://unicredit.at , Stefan Bruckbauer, am Montagabend auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Freistaats Bayern und der Deutschen Handelskammer https://oesterreich.ahk.de in Wien. Die gute Nachricht: Für eine "echte" Krise ist die Wirtschaft zu robust, die Zinsen bleiben im Keller und damit das Schuldenmachen weiterhin "leicht". Laut Bruckbauer stehen Deutschland und Europa am Ende des längsten Wirtschaftsaufschwungs seit dem Zweiten Weltkrieg. Für die USA ist es nach über 114 Monaten beziehungsweise zehn Jahren der längste Aufschwung "ever" - seit 1857. Doch alles hat einmal ein Ende, der Industrie fehlen die Exportaufträge, die gigantischen Summen, mit denen die Trump-Administration die Konjunktur in den USA zusätzlich angeheizt hat, treiben lediglich die US-Schulden auf ein Höchstniveau und damit auch die Zinsen für US-Staatsanleihen (derzeit 3,5 Prozent), die als sicherste der Welt gelten. So fließt die in den Emerging Markets dringend benötigte Kohle wieder in die USA zurück, meinte der Wirtschaftsökonom. Fiskalische Impulse der USA unnötig Die US-Wirtschaft wächst schneller als sie es bewältigen kann, daher muss die FED die Zinsen erhöhen, um einen Gang zurückzuschalten. Das strukturelle Defizit der US-Bilanz beträgt 5,1 Prozent, höher als das aller anderen Industrieländer der Welt. "Absoluter Schwachsinn", in einer Hochkonjunkturphase noch zusätzliche fiskalische Impulse zu setzen, kritisierte Bruckbauer die Trump-Administration, die Landung sei "absehbar". Auch das große Ziel, die Leistungsbilanz zu reduzieren, haben die USA verfehlt, im Gegenteil: Das Land erwartet für dieses Jahr ein Rekord-Leistungsbilanzdefizit und einen weiteren Rückgang der Sparquote auf acht Prozent gegenüber etwa 28 Prozent in Deutschland. Trotzdem ist Bruckbauer überzeugt, dass Trump den hausgemachten Handelskrieg gewinnen wird. Die USA seien am wenigsten vom Außenhandel abhängig, sagte der Experte. In Deutschland hängt jeder dritte Arbeitsplatz von Exporten in Länder außerhalb der EU ab, in China immerhin noch jeder fünfte Job, während in den USA nur jeder zehnte Arbeitplatz direkt vom Außenhandel abhängig ist. Das ist auch der Grund für die hohe Verunsicherung weltweit. Die Auswirkungen des Handelsstreits mit Europa oder Asien treffen den amerikanischen Markt am wenigsten, so der Chefökonom der Bank Austria. Spielraum kleiner, aber kein Grund zu Pessimismus Für die nahe Zukunft Europas zeigte sich Bruckbauer nichtsdestotrotz zuversichtlich. Die Konsumentenstimmung sei weiterhin "extrem gut" (Ausnahme: Großbritannien), die Inlandskonjunktur dank Binnen-Nachfrage auch 2019 noch in Fahrt. Das Wachstum wird 2020 auf europaweit 1,1 Prozent (Deutschland: 1,5 Prozent) zurückgehen, der Arbeitsmarkt zeigt anhaltend positive Signale. Daher ist der Ökonom auch nicht allzu pessimistisch hinsichtlich der Europawahlen. Der Spielraum wird kleiner, aber selbst wenn es 20 Prozent Rechtspopulisten und zehn Prozent Linkspopulisten gibt, bleiben 70 Prozent konstruktive Parteien. "Kompromisse wird es nun mal geben müssen." Aktienmarkt bleibt schwierig, Dollar überbewertet Den Aktienmarkt bezeichnete Bruckberger als schwierig, die Bewertungen durch die Bank als zu schwach. Wenn mit der Abkühlung der Wirtschaft die Stimmung nach unten geht, werden auch die Aktien mit runtergezogen. "Da ist nicht viel zu machen." Auch auf Anleihen werde es auf absehbare Zeit keine Zinsen geben, deutsche Staatsanleihen liegen bei 0,5 Prozent und werden dort wohl bleiben. Den Dollar hält der Ökonom für überbewertet, allerdings stützt er die europäische Konjunktur. Italien hält er für ein Problem der Politik und der Ratingagenturen - rein wirtschaftlich habe das Land etwa seinen Zinsendienst von 25 Prozent der Einnahmen in den 1990er-Jahren auf sieben Prozent heute senken können. "Beim Schuldenmachen ist Italien nur knapp hinter Deutschland." Inflation anhaltend gering, weiterhin negative Realzinsen Unspektakulär wird die Entwicklung der Inflationsrate in der Europäischen Union bleiben - bei etwa einem Prozent. "Wir haben keinen Inflationsdruck." Über die Entwicklung der Zinsenlandschaft macht sich Bruckbauer jedoch keine Illusionen. Mehr wie 0,25 Prozent plus bis 2020 seien nicht zu erwarten. Viel schlimmer noch: Der Bank-Austria-Chefökonom rechnet mit anhaltend "negativen Realzinsen" in den nächsten 30 Jahren. Die Veranstaltung der Deutschen Handelskammer in Wien wurde vom Freistaat Bayern unterstützt, für den Österreich mit China und USA zu den Top 3 der Exportmärkte zählt. Ansprechpartner ist Hauptgeschäftsführer Thomas Gindele, E-Mail: office@dhk.at, Tel.: +43/1/545 14 17-32. pressetext.redaktion, Dr. Wilfried Seywald |