Schutz von Böden und Naturraum immer wichtiger


Wien (26.04.2019) -

Brigitte Kratzwald:
Wachstum ist kein Selbstzweck
(Foto: Brigitte Kratzwald)

Wenn es um das Überleben der Menschheit geht, wird die Sicherung von Naturraum und Böden immer vordringlicher. Dazu muss sich das heutige Wirtschaftssystem vom ungebremsten Wettbewerbs- und Wachstumsdenken lösen und gänzlich neu definieren. Wirtschaftswachstum nur um des Wachstums willen sei unsinnig. "Ausgangspunkt muss die Frage sein: Was brauchen wir und wie können wir es so herstellen, dass die natürlichen Ressourcen erhalten, vielleicht sogar vermehrt oder verbessert werden", so die Sozialwissenschaftlerin Brigitte Kratzwald, die beim Internationalen Tourismusforum im Rahmen der Europäischen Toleranzgespräche am 5. Juni in Villach https://fresach.org zu Gast sein wird.

Für Kratzwald liegt das Problem des heutigen Wettbewerbs in der Abhängigkeit von Investoren. Der Fokus liege daher immer auf möglichst niedrigen Preisen und hohem Profit. Die Buchautorin sieht Wettbewerb und Wirtschaftswachstum allerdings nicht grundsätzlich negativ. Es müsse aber die Frage gestellt werden, ob beide dem Leben dienen und ob man aufhören kann zu wachsen, wenn die Bedürfnisse befriedigt sind.

Commons als Alternative

Die Sozialwissenschaftlerin sieht einen Ausweg in alternativen Wirtschaftsformen, etwa Commons, Subsistenz und solidarische Landwirtschaft. Bei Commons handelt es sich um eine Wirtschaftsform, bei der lebensnotwendige Ressourcen von allen Mitgliedern einer Gemeinde gepflegt und reproduziert werden und für sie frei verfügbar sind. Commons können nicht verkauft werden, nur die Produkte, die aus den Ressourcen entstehen.

Es kann sich bei den Ressourcen um unterschiedliche Dinge handeln, Rohstoffe, Grund und Boden, aber auch Wissen und freie Software. "Commons sind im Grunde Vereinbarungen darüber, wie Menschen mit Ressourcen umgehen wollen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ohne die Ressourcen zu zerstören", erklärt Kratzwald. Subsistenz sei die "Produktion des Lebens". Mitglieder einer Gemeinde produzieren in dieser Wirtschaftsform hauptsächlich für den unabhängigen Selbsterhalt.

Das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft vereinigt in sich die Ziele von Commons und Subsistenz. Verbraucher treten hier in eine direkte Partnerschaft mit den Produzenten. Sie verpflichten sich dazu, so viel zu bezahlen, dass die Produzenten auch von ihrer Arbeit leben können. Gemeinsam mit den Landwirten übernehmen die Ernteanteilhaber die Verantwortung für den Erhalt des fruchtbaren Bodens und des Naturraums.

Aus Wettbewerb aussteigen

Wettbewerb ist laut Kratzwald nicht immer die beste Methode, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Bei solidarischen Landwirtschaftsformen seien die Produzenten etwa vom globalen Wettbewerb um möglichst niedrige Preise befreit und können bessere Nahrung herstellen, ohne dabei den Boden zu zerstören. Kratzwald zufolge sind viele ländliche Regionen im aktuellen Wirtschaftssystem ohne alternative Wirtschaftsformen gar nicht überlebensfähig.

Beispiele aus Vorarlberg

Auch für die fortschreitende Versiegelung von fruchtbaren Ackerböden sieht sie Lösungen. Dafür sollte es eine andere Raumplanung und strengere Auflagen für die Erschließung neuen Baulandes geben. Ein gutes Beispiel dafür sei der Bürgerrat zum Umgang mit Grund und Boden in Vorarlberg https://bit.ly/2GvW5WW . Mit mehr als 1.000 Unterschriften wurde die Durchführung dieses Bürgerrates erzwungen. Die Ergebnisse zeigen, was sich die Bürger wünschen, nämlich dass der Boden als Commons behandelt wird, über den alle gemeinsam bestimmen und der so der Gewinnmaximierung entzogen wird. Derzeit werden Unterschriften zu einem weiteren Bürgerrat gesammelt, bei dem es um Landwirtschaft gehen soll.

Brigitte Kratzwald wird am 5. Juni 2019 anlässlich der Europäischen Toleranzgespräche in Villach zum Thema "Grund und Boden: Wem gehört Österreich?" sprechen. Ihr letztes Buch "Das Ganze des Lebens: Selbstorganisation zwischen Lust und Notwendigkeit" erschien 2014 beim Ulrike Helmer Verlag: https://bit.ly/2XJ9AK3


pressetext.redaktion,
Georg Haas



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