Schnelle Brüter: Russland übt sich in Transparenz
Belojarsk (09.08.2016) -
Block 4 des Atomkraftwerks Belojarsk (Foto: Rosatom) Die russische Föderation beansprucht ihre weltweite Führungsrolle in der Entwicklung neuer Kernkraft-Reaktoren. Jüngstes Beispiel ist der eigenen Angaben nach modernste und schnellste Brutreaktor "BN-800". pressetext konnte sich im Rahmen einer hochrangigen Delegation von 20 ständigen Vertretern der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) https://iaea.org in Belojarsk am Ostrand des Mittleren Urals exklusiv einen Überblick über die Technologie, Sicherheitsvorkehrungen sowie aktuelle Weiterentwicklungen verschaffen. 36 Reaktoren an zehn Standorten Das rund 50 Kilometer östlich von Jekaterinburg gelegene AKW Belojarsk mit seinen vier Blöcken ist das bekannteste und modernste in Russland. Das militärisch abgeriegelte Werksgelände, das durch unüberwindbare Zäune, Gräben sowie Stacheldraht und Überwachungstechnik ungebetene Gäste vom Eindringen abhalten soll, hat sich als Standort halten können - nicht zuletzt wegen der beiden weltweit einzigen schnellen Brutreaktoren in kommerziellem Betrieb, dem BN-600 (Bruttoleistung 600 Megawatt) und dem BN-800. Der Betreiber der Blöcke 3 und 4 - die Blöcke 1 und 2 sind seit 1983 beziehungsweise 1990 stillgelegt und werden gegenwärtig rückgebaut - ist das staatlich geführte Energie-Monopolunternehmen Rosenergoatom https://rosenergoatom.ru , das 36 Atomreaktoren an zehn zivilen Standorten in Russland betreibt und der Föderalen Agentur für Atomenergie (Rosatom) untersteht. Die in Summe produzierte Energiemenge von 26.242 Gigawattstunden versetzt Rosenergoatom mit 18,6 Prozent Marktanteil russlandweit in eine komfortable Lage. "Wille zu Transparenz und Kontrolle" Kraftwerksdirektor Ivan Sidorov sieht den Standort Belojarsk gegenüber pressetext langfristig gesichert - auch wenn die Abschaltung des BN-600 ursprünglich bereits für 2010 vorgesehen war: "Der Abbrand der Brennelemente konnte dank umfassender Modernierung und Aufrüstung gesenkt werden. Die Lizenz für einen sicheren Betrieb der Anlage wurde somit für 2020 erreicht." Oberste Priorität für den Manager hat die gewissenhafte Einhaltung internationaler Sicherheitsstandards der beiden aufwendig mit Natrium gekühlten Hochleistungsreaktoren. Der ständige Vertreter Deutschlands bei der IAEA in Wien, Friedrich Däuble, zeigt sich am Rande der Konferenz im pressetext-Gespräch in Hinblick auf die Informationspolitik der Russen zufrieden. "Sowohl der Besuch in der Anlage selbst als auch das Bereitstellen von Informationen zu sicherheitsrelevanten Themen zeigt die Offenheit Russlands und den Willen der Verantwortlichen zu Transparenz und Kontrolle in diesem Bereich." Ob sich eine Kommerzialisierung des BN-800 rechne, müsse die russische Regierung entscheiden. "Tschernobyl-Zeiten ausgeschlossen" Die in kleinen Gruppen durchgeführte Besichtigung des BN-800 sowie die Weiterentwicklung des BN-600 zeigen die Dimensionen der Anlage und den immensen technischen Aufwand. Technik-Chef Mikhail Roslyakov: "Der 2012 fertiggestellte Reaktor des BN-800 ist lediglich zwölf Meter breit und zwölf Meter hoch und wird von einem zwei Meter dickem Betonmantel umschlossen. Gekühlt wird allein der Reaktor mit zwei Tonnen Natrium." Valery A. Shamanskiy, Deputy Chief Engineer for Safety and Reliability, ergänzt auf Nachfrage von pressetext, dass die Radioaktivität kaum messbar sei und sogar unterhalb des natürlichen Strahlenwertes liege. Der BN-800 hat im Juni 2014 den Testbetrieb bei reduzierter Leistung aufgenommen und wird seit März 2015 hochgefahren. Der Leistungsbetrieb hat mit 885 Megawatt begonnen. "Die Vorteile des BN-800 liegen nicht nur in der höheren Leistung, sondern auch in zusätzlichen passiven Sicherheitssystemen, die den physikalischen Gesetzen der Natur folgen und einen GAU wie zu Tschernobyl-Zeiten ausschließen", so Shamanskiy. In Sachen Atommüll und Folgeschäden für die Umwelt zeigt sich der Atom-Ingenieur pragmatisch: "Wie der BN-800 ermöglicht auch dessen Weiterentwicklung, der BN-1200, am Ende nicht mehr radioaktive Elemente mit hoher Halbwertszeit von tausenden von Jahren, sondern nur mehr von hunderten Jahren." pressetext.redaktion, Florian Fügemann |