E-Government 2.0: Den offenen Staat gestalten
Wien (10.06.2013) -
Galt es in den Jahren zuvor, grundlegende E-Government-Prozesse erst einmal zu definieren und zu etablieren, ist der Staat durch neue Technologien und das Internet mittlerweile längst zum Bürger gerückt. Experten aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zogen beim Future Network Dialogforum am 3. Juni 2013 in Wien eine Bilanz und blickten in die Zukunft.
Offene Daten und User-Freundlichkeit waren zwei Schlagwörter, die das Dialogforum zum Thema E-Government 2.0 prägten. Für das Bundeskanzleramt zog Peter Reichstädter Bilanz über das bisher Erreichte. Die 2009 definierten Ziele für eine digitale Verwaltung im Jahr 2020 seien im Wesentlichen auch heute noch gültig. Die Kontakte der Bevölkerung mit Verwaltungsbehörden über Computer, Smartphones und andere internetfähige Geräte müssten weiter vereinfacht werden, indem Anwendungen mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche aufwarten und im System vorhandene Daten besser genutzt werden.
"Ziel ist, dass das 'E' vor Government einmal obsolet wird. Man wird dann einfach über die Verwaltung reden", meinte Reichstädter im Rahmen seines Vortrags. Neben den angesprochenen Vereinfachungen für alle Bürger spiele die Transparenz sowie der Datenschutz ebenso eine Rolle wie die Konvergenz von sämtlichen elektronischen Services, sei es nun E-Government, E-Health, E-Commerce oder auch E-Learning. Ein besonderer Fokus liege auf der Sicherung der elektronischen Identität von Personen, aber auch Unternehmen.
Beim Thema elektronische ID geht Reichstädter davon aus, dass das Smartphone gegenüber anderen Set-ups wie etwa Kartenlösungen das Rennen machen werde. Während die Bürgerkarte in Karten-Format inklusive Kartenlesegerät bei etwa 76.000 aktiven Usern stagniere, erfahre die Handysignatur zwischen 8.000 und 14.000 neue User monatlich. Laut Reichstädter nutzen mittlerweile 154.000 Personen in Österreich diese Möglichkeit, um sich beispielsweise bei ihrer Steuererklärung online auszuweisen.
Als Herausforderung gelte in den kommenden Jahren, dass auf EU-Ebene die Interoperabilität zwischen elektronischen IDs und Dokumenten gewährleistet werden müsse. Setze sich auf EU-Ebene - nicht zuletzt durch entsprechende gesetzliche Vorgaben - eine gemeinsame eID-Lösung durch, wäre damit auch eine digitale Ausweismöglichkeit geschaffen, die für kommerzielle Betreiber interessant werden könnte und als Alternative zu etablierten Konzernen wie Google, Facebook oder Microsoft in Frage komme.
Eine Zwischenbilanz, wie Open Government Data (OGD) nicht nur eine Entwickler-Community zu begeistern weiß, sondern auch tatsächliche Verbesserungen für die Bürger bedeutet, zog der Verantwortliche der Wiener Open-Data-Strategie, Johann Mittheisz. Mit 170 veröffentlichten Datensätzen und 84 Anwendungen sei die Stadt Wien weiterhin einer der Spitzenreiter in Europa beim Thema Open Data. "Es geht um die Weiterentwicklung der Verwaltung, um das Mitnehmen der Bevölkerung. Einfach nur Daten freizugeben ist nicht alles. Man braucht auch die entsprechenden Anwendungen", meinte Mittheisz mit Verweis auf andere europäische Städte, wo diese Symbiose noch nicht so gut funktioniere. In einem weiteren Schritt müsse die Nachhaltigkeit aber stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
"Das Interesse der mehrere Hundert Entwickler umfassenden Community ist groß. Oft wird allerdings experimentell eine App aus den Daten entwickelt, einfach um zu sehen, ob und wie das funktioniert. Danach wird die Anwendung oftmals sich selbst überlassen", so Mittheisz. Für die Wirtschaft seien jedoch nachhaltigere Use- und Business-Cases notwendig, um von derartigen Open-Data-Projekten zu profitieren.
Das Beispiel der beim Thema Open Data äußerst aktiven 8000-Einwohner-Gemeinde Engerwitzdorf zeige zudem, dass spannende Anwendungen nicht auf Großstädte beschränkt seien: "Open Government wirkt da, wo es Bevölkerung und aktiv teilnehmende Personen gibt. Daher gibt es die größten Erfolge vor allem auf Stadt- und Gemeindeebene, und nicht bei den Ländern oder gar im Bund", ist Mittheisz überzeugt. Weitere Synergien will die Stadt aber dennoch durch die Zusammenarbeit mit anderen Städten, Gemeinden, Ländern und Bund erzielen.
Die positive Auswirkung von Open-Data-Initiativen in punkto Transparenz der Verwaltung, aber auch Bürgerinteraktion unterstrich auch Bernhard Krabina vom KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, das eng mit OGD-Vorzeigestädten wie Wien zusammenarbeitet. Krabina zufolge ist Open Data zwar kein Selbstläufer - die veröffentlichten Daten, etwa des Gemeindehaushalts, müssten hinsichtlich Aufbereitung und Datenqualität hinterfragt werden - erleichtert allerdings die Kontrollrechte von Opposition und Bürgern.
Spannende Visualisierungsmöglichkeiten würden die Veranschaulichung und Verständlichkeit von komplexen Datensätzen erheblich erleichtern. Gleichzeitig warnte Krabina vor dem alleinigen Bereitstellen von maschinenlesbaren Datensätzen. "Ein publiziertes PDF, in welchem die wichtigsten Kennzahlen übersichtlich aufgelistet und interpretiert sind, kann genauso wertvoll für Bürger sein", so Krabina. Ganz generell steigere Transparenz aber das Zufriedenheitsgefühl von Bürgern. "Man muss die Budget-Zahlen ja nicht jedes Quartal genau studieren, allein das Wissen, dass man es jedoch könnte, ist ein gutes Gefühl."
Die Usability von E-Government-Portalen stand im Mittelpunkt des Vortrags von Gentics-Geschäftsführer Alexander Szlezak. Anhand einer Fülle von internationalen Webportal-Beispielen zeigte Szlezak userfreundliche und weniger gelungene Umsetzungen auf. Ungeachtet der technischen und funktionellen Elaboriertheit von E-Government in Österreich, lasse die Bedienerfreundlichkeit noch zu wünschen übrig. "In Österreich haben wir leider immer noch ein sehr dienststellen- und amtszentriertes Angebot, die einfache Bedienbarkeit für User steht nicht im Mittelpunkt."
In Hinblick auf das unterschiedlich gestaltete E-Government-Angebot des Bundes und vieler Gebietskörperschaften forderte Szlezak einen vereinheitlichten Auftritt mit einheitlicher Bedienung. "Aus User-Sicht ist nicht einzusehen, dass man bei jedem E-Government-Dienst eine neue Bedienung lernen muss", so Szlezak. Im Vergleich zu den USA seien auch zu wenige Interaktionsmöglichkeiten vorgesehen, um etwa bei außerordentlichen Ereignissen wie bei einem Hochwasser den Dialog und die Koordination zwischen Behörden und Bevölkerung zu vereinfachen.
Ebenfalls nicht zu vernachlässigen sei die Aufbereitung der Portallösungen für mobile Endgeräte. Diese würden heute den wichtigsten Zugang zum Internet und entsprechender Services bedeuten. Erschwerend für E-Government-Verantwortliche komme hinzu, dass Bürger mittlerweile beim Aufrufen von Services den hohen Standard von privatwirtschaftlichen Konzernen wie Apple oder Google voraussetzen würden, sei es nun bei der einfachen Bedienbarkeit als auch im User Interface und dem Design der Applikation.
Wie die in Angriff genommene Haushaltsreform anhand der Definierung von übergeordneten Leitbildern und der Beschränkung auf einige wenige Wirkungsziele für ein größeres Maß an Transparenz und Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt sorgen soll, referierte Veronika Meszarits vom Bundesministerium für Finanzen. Sandra Heissenberger vom Magistrat Wien zeigte in ihrem Vortrag schließlich die sicherheitstechnischen Herausforderungen im E-Government auf, die sich durch die vier großen Trends Mobilität, Cloud, Big Data und soziale Medien ergeben.
Vor allem das Thema Big Data biete für eine Stadtverwaltung enormes Potenzial. Die Analyse von Daten, die über Sensoren, Kameras, soziale Medien, aber auch Open Data gewonnen werden können, erlaube völlig innovative Vorhersagemodelle - etwa in der Stauerkennung oder bei der Entwicklung von Großveranstaltungen - welche vorbeugendes Agieren und Gegensteuern durch Einsatzkräfte möglich mache. Neben dem Problem der unterschiedlichen Datenqualität von Big Data müssten die datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich eines "gläsernen Bürgers" sowie die Forderung nach einer vertrauenswürdigen Zugriffsrechteverwaltung aber Ernst genommen werden, so Heissenberger.
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