Digitale Agenda 2020 - DACH-Studie
Wien (10.11.2015) -
Technologien wie Social Media, mobile Apps, Big Data, Cloud, aber auch ein verändertes Kundenverhalten stehen im Mittelpunkt der digitalen Transformation. Welche Strategien zum Erfolg führen, aber auch welche Herausforderungen für Unternehmen damit einher gehen, diskutierten Branchenexperten beim Future Network Management Forum, das gemeinsam mit CON.ECT Eventmanagement veranstaltet wurde, am 29. Oktober 2015 in Wien. Dass das digitale Zeitalter unsere persönliche Arbeitswelt unwiderruflich verändert hat, ist unbestritten. Laut Daniel Holzinger von colited, der das Management Forum im Haus der Industrie am Schwarzenbergplatz in Wien eröffnete, tun sich Unternehmen aber immer noch schwer, die technologischen Entwicklungen in den täglichen Arbeitsprozessen zu berücksichtigen. "Meeting-Marathons auf der einen, 125 E-Mails und Briefe pro Tag auf der anderen Seite, Multitasking von früh bis spät. Wenn für das Nachdenken oder Reflektieren nicht einmal mehr eine Stunde pro Tag bleibt, führt das schnell zum kollektiven Burn-out", kritisiert Holzinger. Eine Arbeitswelt 4.0 müsse einen ortsunabhängigen, selbstbestimmten Arbeitsstil ermöglichen. Im Mittelpunkt dieser Individualität stehe gleichzeitig die Kollaboration mit Arbeitskollegen, die über entsprechende Online- und Social-Tools ermöglicht werden müsse. "Das ist weniger ein Technologie-Projekt, wie vielerorts falsch verstanden wird, sondern eher ein Change-Management-Projekt. Wie kann ich einfacher, effizienter arbeiten und noch dazu Mitarbeiter motivieren? Weniger E-Mails, weniger Telefonkonferenzen, mehr Webinare, Online-Meetings und Social Collaboration sind erste Schritte", ist Holzinger überzeugt. CEO hat größten digitalen IQ Mit der auf dem Forum präsentierten aktuellen "Digital IQ Studie" gab PwC einen globalen Einblick darin, wie es um die Transformationsbemühungen von Unternehmen bestellt ist. Aus den Antworten der knapp 2000 befragten Führungskräften kristallisiert sich heraus, dass die digitale Transformation stärker als bisher CEO-Sache ist und technische Investitionen mittlerweile weit über den IT-Kernbereich hinausgehen. "Disruptive Geschäftsmodelle stehen interessanterweise selten im Vordergrund, den Firmen geht es bei der Umsetzung ihrer erfolgreichen digitalen Strategie in erster Linie um Wachstum- und Ertragssteigerungen sowie um bessere Kundenbeziehungen", erklärt Andreas Plamberger von PwC Österreich. Weitere Ergebnisse der Digital IQ Studie: Um erfolgreich zu sein, muss die digitale Strategie nicht nur mit der Business-Strategie abgestimmt sein, sondern auch konzernweit kommuniziert werden. Investitionen in digitale Lösungen müssen als Wettbewerbsvorteil begriffen, entsprechende Ergebnisse konsequent evaluiert werden. Für frische Ideen und innovative Ansätze, etwa wie die neuen Technologien die eigene Wertschöpfung steigern können, lohnt sich der Blick von außen, respektive das Einbinden externer Ressourcen. Die Auswertung von Business-Daten hilft, die richtigen strategischen Roadmaps zu entwickeln. Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Privatsphäre müssen allerdings von Anfang an mitbedacht werden. Über die Rolle der IT hinsichtlich der Umsetzung digitaler Strategien, aber auch entsprechender Schlüsselfiguren wie etwa dem CIO, dessen Stern laut PwC-Studie leicht im Sinken begriffen ist, entbrannte in der Teilnehmerrunde eine heftige Diskussion. Oftmals würden nicht die technischen Skills in der IT-Abteilung fehlen, sondern vielmehr eine funktionierende Kommunikation zwischen IT- und Management-Ebene, meinte ein Teilnehmer. Die Frage, ob genügend Technologie-Experten in einem Unternehmen vorhanden sind, sei ebenfalls falsch, meinte ein anderer Teilnehmer. Es müsse vielmehr die Frage beantwortet werden, wie mit den neuen Technologien Geld verdient werden könne. Kodak und Nokia als Warnung Eine entscheidende Phase für Unternehmen, die bei der digitalen Transformation nicht den Anschluss verpassen wollen, ortet auch Atos in den kommenden drei Jahren bis 2018. Dass derartige Revolutionen vor unangefochtenen Marktführern nicht Halt machen, selbst wenn sie die Zeichen der Zeit teilweise erkannt haben, zeigen die Beispiele von Nokia und Kodak. Letzterer hatte in den 70er-Jahren sogar eine mehrere Kilo schwere Digitalkamera erfunden, konnte sein Geschäftsmodell bis zuletzt allerdings nicht erfolgreich adaptieren, wie Jordan Janeczko von Atos ausführte. Um im digitalen Zeitalter erfolgreich zu sein, müsse man schnell und pragmatisch agieren können. Kollaboration und unabhängige kleinere Projektteams, die Lösungen erarbeiten, sind laut Atos ebenfalls ein Schlüssel zum Erfolg. Ein wesentliches Element, damit die richtigen Rückschlüsse für die Weiterentwicklung des Geschäfts gezogen werden kann, ist die Auswertung und die Rückkopplung gesammelter Daten. "Dass Firmen wie Uber, Amazon oder Netflix ihre Daten-Lebenszyklen so managen, wie sie es tun, ist Teil ihres Erfolges. Aber auch kleinere Unternehmen - und sei es der Bauer, der aufgrund der Analyse von Bodenbeschaffenheiten, Wetter und Saatgut seine Erträge berechnen kann - profitieren von den neuen Möglichkeiten", so Janeczko. Enorme Geschwindigkeit, aber auch Agilität sind die größten Herausforderungen für Firmen, um im Wettbewerb heute bestehen zu können. "Die Einstiegshürde für Unternehmen ist so viel geringer geworden. Um Durchschnitts-Niveau zu erreichen und ein ernstzunehmender Mitbewerber zu werden, muss man längst nicht mehr exzellent sein", analysiert Janeczko. Das Schwierige heute sei eher, einen erkämpften Platz im Markt auch mittel- und langfristig gegen neue Herausforderer verteidigen zu können. Digitale Agenda 2020 - DACH-Region Für Diskussionen sorgte die Präsentation einer CSC-Studie aus der DACH-Region, in der 500 Unternehmensentscheider zu ihrer Einschätzung der digitalen Transformation befragt wurden. In dieser wurde einmal mehr der Graben zwischen Selbstwahrnehmung und dem konstatierten Handlungsbedarf sichtbar. "Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben zu, dass die digitale Transformation den Wettbewerb und die Marktsituation des eigenen Unternehmens bereits verändert hat. Gleichzeitig verfügen 61 Prozent der Entscheidungsträger nicht einmal über ein Strategiepapier, um die Digitalisierung konkret anzugehen", weist Walter Oberreiter von CSC auf den Widerspruch der Studienergebnisse hin. Als größte Stolpersteine für die Umsetzung wurden zu wenige Fachkräfte, Finanzierungslücken und Mängel bei der Aus- und Weiterbildung genannten. Bei den Chancen der digitalen Transformation steht in allen drei Ländern eine verbesserte Kundenbeziehung auf Platz eins. Der Blick in die Branchen zeigt, dass Industrieunternehmen künftig mit individualisierten Produkten flexibler auf Kundenwünsche reagieren wollen. Finanz- und Versicherungsdienstleister setzen in Zukunft ebenso wie der Handel auf digitale Vertriebskanäle. Telko- und IT-Dienstleister sehen die größten Chancen bei der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Neben der Frage, wie Daten sicher verwahrt werden können, bewegt die Unternehmen in der DACH-Region vor allem die Investitionsfrage sowie die Zusammenarbeit mit externen Partnern. In Österreich konstatiert zudem knapp jeder Dritte einen Anbietermangel, um in den digitalen Prozess kostengünstig einsteigen zu können. Entsprechend konsequent wird hier die Service-Entwicklung mit Partnern auf die Agenda gesetzt. "Auch hier fällt auf, dass etwa kulturelle Vorbehalte, die mit der digitalen Transformationen einher gehen, nicht als Problem wahrgenommen werden -was sich mit unseren Erfahrungen aus der Praxis aber nicht deckt", sagt Oberreiter. Besser schnell scheitern Über die besonderen Herausforderungen des digitalen Zeitalters für die Energiewirtschaft referierte Robert Redl von der EVN AG, der seinem Vortrag mit der Überschrift "Fail Fast" eine Klammer gab. "In der digitalen Welt muss man aus Fehlern schnell lernen, die Veränderungsgeschwindigkeiten sind enorm. Gerade für die Energiewirtschaft, die beim Thema Gebäude- und Netzinfrastruktur in Jahrzehnten denken und planen muss, ist das eine riesige Herausforderung", sagt Redl. Dass man sich diesen Herausforderungen stellen müsse, stehe - auch angesichts neuer Mitbewerber wie Google - außer Frage. Die Energiewirtschaft werde sich ändern, die Frage sei allerdings das "wie". "Die Digitalisierung ist eine Verzahnung vieler Themen. Als Konzern muss man sich ganz genau fragen: Wo reicht ein besser, wo setzen wir auf anders, wo ist ein besser ganz anders angebracht", sagt Redl. Wie einige seiner Vorredner pocht auch er auf Kollaboration und ein strategisches Requirement-Engineering. "Die Fragestellungen und Antworten sind mittlerweile so komplex, das kann einer allein niemals erarbeiten", so Redl. Neben der Zusammenarbeit über Projekt- und Abteilungssilos hinweg regt er Design Thinking Workshops sowie offene Strategie- und Entscheidungsfindungsprozesse an. Das Schlusswort habe natürlich der Vorstand, der Weg dorthin müsse aber von offener Diskussion geprägt sein. "Am Ende des Prozesses muss man allerdings genau wissen, wo man in drei bis fünf Jahren hin will. Denn eine einzelne App macht noch keine digitale Strategie". Prozess-Mining und M2M-Kommunikation Abgerundet wurde das Forum von zwei spannenden Vorträgen zur automatisierten Analyse von Prozessen sowie zur Auswertung von Maschinen-Kommunikation. Um die tägliche Abfolge einzelner Arbeitsaufgaben und -prozesse in Unternehmen, aber auch in der Produktion besser verstehen zu können, bietet sich das sogenannte "Prozess-Mining" an. Wie man vorhandene Daten zu diesen Prozessen automatisiert mittels entsprechenden Software-Algorithmen auswerten kann, erklärte Thomas Ziebermayr vom Software Competence Center Hagenberg (SCCH). Mit Prozess-Mining können Zusammenhänge bei Daten gefunden werden, die aus der Datenstruktur per se nicht ersichtlich sind. In der Praxis hilft die Prozessoptimierung, Probleme - etwa in der Produktion - frühzeitig bzw. auch proaktiv zu verhindern und so teure Ausfälle und Stillstände zu vermeiden. Als Unternehmen müsse man sich im Klaren werden: "Welche Daten habe ich, was will ich analysieren, welche Fragestellungen und Anforderungen müssen berücksichtigt werden", erklärt Ziebermayr. Christoph Schmittner vom Austrian Institute of Technology (AIT) thematisierte in seinem Vortrag die Herausforderungen der M2M-Kommunikation, die mit der Umstellung auf die Industrie 4.0 Einzug in Produktionsstätten findet. Um die unterschiedlichsten Systeme zu vernetzen und auch Maschinen einbinden zu können, die nie für ein Netzwerk vorgesehen war, wird Cloud-Technologie notwendig sein, ist Schmittner überzeugt. Aufgrund von hohen Sicherheitsanforderungen, aber auch die Unterschiedlichkeit der Systeme werde der Weg definitiv nicht über eine große Industrie-Cloud, sondern eher über kleinere lokale Clouds führen. Auch müsse man sich im Klaren sein, dass nicht sämtliche Komponenten auf smarte Industrie-4.0-Prozesse umgestellt werden können, da dies unfinanzierbar sei. Die Auswertung entsprechender M2M-Daten biete aber eine Reihe von Vorteilen. Maschinenteile werden etwa nicht auf Verdacht gewartet - mit allen negativen Auswirkungen auf die Produktion - sondern erst, wenn das entsprechende Bauteil oder die Maschine die Notwendigkeit signalisiert. Future Network, Sonja Haberl |